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Ist das Drama k.o.? Ist das Theater k.o.?

Alexander García Düttmann

Kann es eine Gesellschaft ohne Feier geben oder Die kritische Frage des Theaters

Veröffentlicht am 04.07.2017


Ist das Drama k.o.? Ist das Theater k.o.? Versinkt es im Chaos?

Als »Zeremonie aller Zeremonien«1 oder als »Feier aller Feiern« bestimmt Alain Badiou das Theater in einer kurzen philosophischen Abhandlung, die den Titel Rhapsodie für das Theater trägt und die 1990 zum ersten Mal veröffentlicht wurde. Denn das Theater macht den Staat sichtbar, zeigt nicht die Revolution. Es handelt von dem Bewußtsein, das in einem bestimmten Stand oder Zustand der Politik erlangt wird, erklärt den Stand der Dinge, ist die Inventur aller Teile einer geschlossenen Situation, aber unter dem Vorzeichen der Katastrophe, der Überstürzung oder der Not, als müßte alles Ausstehende beglichen werden und als würde dadurch das Theater es auf einen Ausbruch abgesehen haben, auf eine Verpuffung, auf einen Abschluß, nicht auf einen Ausgleich. Die künstlerisch gekonnte, »strategische« Auflistung der Leidenschaften auf der Bühne, der Begegnungen mit der Macht, führt zu einem Tränenausbruch oder verursacht Gelächter. Als eine an den Staat gebundene, ist die Berufung, auf die die theatralische Praxis antwortet, die der Repräsentation. Das Theater, das Drama ist nicht die Kunst, die das Einräumen eines Orts präsentiert, die Konstitution eines Stands oder Zustands, das Entstehen eines Staats, sondern die Kunst, die den Staat und mit ihm die Repräsentation repräsentiert, in einer Vorstellung darstellt. Eine »Feier aller Feiern« ist das Theater also in dem Sinne, daß es die Repräsentation repräsentiert, die es ohne Staat, ohne Stand, ohne Zustand, ohne eine geschlossene Situation nicht geben könnte, aber immer so, daß diese Repräsentation der Repräsentation auf einen Ausbruch zielt und von Ideen geleitet wird. Badiou begreift nämlich die Repräsentation der Repräsentation als eine freie und politische, das heißt: als eine urteilende, als eine kritische. Ein kritisches Repräsentieren der Repräsentation muß Ideen in Anspruch nehmen, ist nur durch die Idee möglich, stellt den Staat, den Stand, den Zustand in ein Verhältnis zur Idee, zum geistigen Repräsentanten, der Repräsentationen repräsentiert und dabei den Repräsentationsmechanismus unterbricht.2 Die Freiheit des Urteilens, die Kritik, gehört zu den Bedingungen der Kunst des Theaters als eine, die die »Feiern aller Feiern« inszeniert, einrichtet, vorführt, feiert. Die kritische Frage des Theaters ist folglich die, wie eine »Feier aller Feiern« zu verstehen ist, eine Repräsentation der Repräsentation, des Staats oder des politischen Stands und Zustands, die mit einer doppelten Krise einhergeht, mit der Krise des Ausbruchs und mit der Krise des Urteils, mit der Krise des Affekts und mit der...

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Alexander García Düttmann

Alexander García Düttmann

ist Philosoph und Übersetzer zahlreicher philosophischer Werke. Er lehrt am Institut für Kunstgeschichte und Ästhetik der Universität der Künste in Berlin.

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